Dienstag, 2. Juli 2013

Schön verflochten - Diana Stegmann

Die Leidenschaft für das älteste Kunsthandwerk überhaupt erfasste die Flechtgestalterin Diana Stegmann als sie während ihres Kunstpädagogik-Studiums einen Weg aus der Mittelmäßigkeit suchte. Zeichnen, malen, drucken war zwar kreativ und schön. Doch sie wünschte sich ein altes Handwerk von der Pike auf zu lernen um es richtig perfekt zu können. Auf ihrer Suche entdeckte sie die Staatliche Berufsschule für Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels und merkte innerhalb weniger Wochen: das ist es!

 So zog sie aus der Uckermark ins bayerische Lichtenfels um dort ihre dreijährige Ausbildung zur Flechtwerksgestalterin zu absolvieren. Das war von 1999 bis 2002 - eine Zeit in der sich diese Schule vom traditionellen Ausbildungsort für Korbmacher, an dem vor allen die Innung das Sagen hatte, zur Berufsschule für Flechtwerkgestaltung reformierte. Sie ist heute der einzige Ort in Deutschland, wo man das schöne Handwerk des Flechtens noch erlernen kann. Die Atmosphäre dort wird inzwischen von Auszubildenden aller Altersstufen und aus ganz Europa geprägt. Die Menschen, die nach Lindenfels gefunden haben, lassen für die Flechterei alles stehen und liegen. Sie werden gleichermaßen von Faszination und Berufung getragen. Die Ausbildung in einem Meisterbetrieb ist heute aus vielerlei Gründen keine Option mehr. Auch der Meisterzwang fiel zu Beginn des Jahrtausends. In Lindenfels ausgebildete Flechtgestalter haben vielseitige weiter führende Möglichkeiten. Sie können ihren Ausbildung als Gestalter im Handwerk an einer der Akademien des Handwerks abschliessen oder das Gelernte in Berufe wie z.B. Tischlerei, Innenarchitektur oder Ergotherapie einbringen. Und sich selbständig machen, so wie es Diana Stegmann für sich entschieden hat.



 Sie lebt heute mit ihrem Partner, dem Glaskünstler Frank Meurer, in Karwitz, im Landkreis Lüchow Dannenberg. Im Jahr 2011 haben sie dort ihre Werkstätten eingerichtet und Diana Stegmann hat sich natürlich auch eine Plantage mit circa 20 verschiedenen Weidensorten angelegt. Hier gibt es unter anderen die gelbe Dotterweide, die grün bläuliche Steinweide, bläulich rote Reifweide, die schwarze „salix nigra“, an deren Ruten sich winzige Kätzchen ausgebildet haben, wenn man sie recht spät schneidet, und Zaunweiden. Viele Korbmacher kultivieren und kreuzen ihre Weidensorten selbst. Was man nicht in der eigenen Weidenanlage hat kann man bei Großhändlern kaufen, die das Material überwiegend aus Spanien und Süd-Frankreich beziehen. Die wachsende Popularität von Hackschnitzelheizungen in Deutschland führt auch dazu, dass riesige Weidenplantagen für den schnell nachwachsenden Rohstoff angebaut werden – und die Flechtgestalter können davon profitieren.

 Weidenruten werden in der Saftruhe, also von November bis Februar geschnitten und sortiert. Das Holz hat dann noch einen hohen Wasseranteil und muss getrocknet werden. Früher verflochten die Korbmacher die frisch geschnittenen Ruten gleich im darauf folgenden Winter. Bäuerliche Kartoffel- und Reisigkörbe durften ruhig etwas löchrig und schief sein. Auch für den Zaunbau taugen frisch geschnittene Ruten. Doch normalerweise kommt die Ernte eines Winters frühestens im darauf folgenden Herbst zum Einsatz bzw. in den Handel. Man kann sie 40 Jahre lang verflechten. Die Ruten werden eingeweicht und dann verarbeitet. Geschält für reines Weiß flechten, gespalten für die Feinflechterei, ungeschält für vielfarbige Körbe, Objekte und Möbel.


 Diana Stegmann schwärmt: eigentlich braucht man nur eine Schere und ein paar Weidenruten und schon kann man etwas Tolles machen! Schnelle Erfolgserlebnisse begeistern die Menschen, die das Flechten erproben – aber sie erkennen ebenso schnell, dass für besondere Objekte dann auch besondere Kenntnisse und Fertigkeiten gefragt sind. Die Wertschätzung für die Arbeiten der Profis wächst in dem Maße in dem man es selbst versucht: In ihren Kursen baut Diana Stegmann Weidentipis und Schiffchenschalen mit Kindergartenkindern, flicht Körbe und Kugeln mit Firmenbelegschaften oder Verbandsmitgliedern. Schnell wird den Beteiligten klar, warum es einen deutlichen Unterschied zwischen billigen Importprodukten aus Fernost und den handgeflochtenen Objekten aus einer europäischen Werkstatt gibt, die in ihrer Qualität und Farbigkeit unnachahmlich sind.

Flechtgestaltung ist zutiefst nachhaltig und Natur verbunden. Der Anbau und die Ernte, Produktion und Verkauf strukturieren sich auf natürliche Weise durch den Jahresrhythmus. Das Vorbereiten und Flechten selbst ist kontemplativ und entspannend, schafft eine innere Ruhe in der man zu sich selbst kommt. Das Gefühl etwas zu tun, was ganz nah am Kreislauf der Natur ist und damit nachhaltig schöne, wertvolle Produkte zu schaffen, die Jahrzehnte lang Freude machen, fasziniert nicht nur Diana Stegmann.


 Auch als Künstlerin hat sie sich in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Ihre Objekte der Serie „Baskets“ flicht sie in einer eigens entwickelten Technik. Mit kreativer Neugier und künstlerischer Freiheit erforscht sie eigenwillige Möglichkeiten Formen und Oberflächen zu gestalten, die sich aus dem Rhythmus des Flechtens im Zusammenspiel mit dem Material ergeben.

© Schnuppe von Gwinner, September 2012 - veröffentlicht in der Zeitschrift Handmade Kultur Nr. 10 Oktober/ November 2013

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