Die Leidenschaft für das älteste
Kunsthandwerk überhaupt erfasste die Flechtgestalterin Diana Stegmann als sie während ihres Kunstpädagogik-Studiums einen Weg
aus der Mittelmäßigkeit suchte. Zeichnen, malen, drucken war zwar
kreativ und schön. Doch sie wünschte sich ein altes Handwerk von
der Pike auf zu lernen um es richtig perfekt zu können. Auf ihrer
Suche entdeckte sie die Staatliche Berufsschule für
Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels und merkte innerhalb weniger
Wochen: das ist es!
Sie lebt heute mit ihrem Partner,
dem Glaskünstler Frank Meurer, in Karwitz, im Landkreis Lüchow
Dannenberg. Im Jahr 2011 haben sie dort ihre Werkstätten
eingerichtet und Diana Stegmann hat sich natürlich auch eine
Plantage mit circa 20 verschiedenen Weidensorten angelegt. Hier gibt
es unter anderen die gelbe Dotterweide, die grün bläuliche
Steinweide, bläulich rote Reifweide, die schwarze „salix nigra“,
an deren Ruten sich winzige Kätzchen ausgebildet haben, wenn man sie
recht spät schneidet, und Zaunweiden. Viele Korbmacher kultivieren
und kreuzen ihre Weidensorten selbst. Was man nicht in der eigenen
Weidenanlage hat kann man bei Großhändlern kaufen, die das Material
überwiegend aus Spanien und Süd-Frankreich beziehen. Die wachsende
Popularität von Hackschnitzelheizungen in Deutschland führt auch
dazu, dass riesige Weidenplantagen für den schnell nachwachsenden
Rohstoff angebaut werden – und die Flechtgestalter können davon
profitieren.
Weidenruten werden in der
Saftruhe, also von November bis Februar geschnitten und sortiert. Das
Holz hat dann noch einen hohen Wasseranteil und muss getrocknet
werden. Früher verflochten die Korbmacher die frisch geschnittenen
Ruten gleich im darauf folgenden Winter. Bäuerliche Kartoffel- und
Reisigkörbe durften ruhig etwas löchrig und schief sein. Auch für
den Zaunbau taugen frisch geschnittene Ruten. Doch normalerweise
kommt die Ernte eines Winters frühestens im darauf folgenden Herbst
zum Einsatz bzw. in den Handel. Man kann sie 40 Jahre lang
verflechten. Die Ruten werden eingeweicht und dann verarbeitet.
Geschält für reines Weiß flechten, gespalten für die
Feinflechterei, ungeschält für vielfarbige Körbe, Objekte und
Möbel.
Diana Stegmann schwärmt:
eigentlich braucht man nur eine Schere und ein paar Weidenruten und
schon kann man etwas Tolles machen! Schnelle Erfolgserlebnisse
begeistern die Menschen, die das Flechten erproben – aber sie
erkennen ebenso schnell, dass für besondere Objekte dann auch
besondere Kenntnisse und Fertigkeiten gefragt sind. Die Wertschätzung
für die Arbeiten der Profis wächst in dem Maße in dem man es
selbst versucht: In ihren Kursen baut Diana Stegmann Weidentipis und
Schiffchenschalen mit Kindergartenkindern, flicht Körbe und Kugeln
mit Firmenbelegschaften oder Verbandsmitgliedern. Schnell wird den
Beteiligten klar, warum es einen deutlichen Unterschied zwischen
billigen Importprodukten aus Fernost und den handgeflochtenen
Objekten aus einer europäischen Werkstatt gibt, die in ihrer
Qualität und Farbigkeit unnachahmlich sind.
Flechtgestaltung ist zutiefst
nachhaltig und Natur verbunden. Der Anbau und die Ernte, Produktion
und Verkauf strukturieren sich auf natürliche Weise durch den
Jahresrhythmus. Das Vorbereiten und Flechten selbst ist kontemplativ
und entspannend, schafft eine innere Ruhe in der man zu sich selbst
kommt. Das Gefühl etwas zu tun, was ganz nah am Kreislauf der Natur
ist und damit nachhaltig schöne, wertvolle Produkte zu schaffen, die
Jahrzehnte lang Freude machen, fasziniert nicht nur Diana Stegmann.
Auch als Künstlerin hat sie sich
in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht. Ihre Objekte der Serie
„Baskets“ flicht sie in einer eigens entwickelten Technik. Mit
kreativer Neugier und künstlerischer Freiheit erforscht sie
eigenwillige Möglichkeiten Formen und Oberflächen zu gestalten, die
sich aus dem Rhythmus des Flechtens im Zusammenspiel mit dem Material
ergeben.
© Schnuppe von Gwinner, September 2012 - veröffentlicht in der Zeitschrift Handmade Kultur Nr. 10 Oktober/ November 2013
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen