Dienstag, 2. Juli 2013

Porzellan - Barbara Hast

Zeit still stehen lassen. Zaghaft berühren. Ungläubig bestaunen.

Die feinen Prozellandinge von Barbara Hast sind nur so zu erfassen. Ihre Anwesenheit ist schimmernd Naturweiss, etwas heller als Elfenbein, etwas dichter als Eierschale. Durch und durch künstlich und kostbar sind sie als Metamorphosen natürlich gewachsener Früchte und Pflanzen, die diese eigensinnigen Kreationen aus weissem Gold vage inspirierten. In aller Bescheidenheit zitieren sie die opulente Naturliebe des 17. Jahrhunderts und erinnern an exotische Kuriositäten barocker Schatzkammern. Ihre Gegenwart wird von Reminiszenzen getragen, die nicht eindeutig definierbar, aber doch assoziativ zu erahnen sind. Die Objekte von Barbara Hast strecken ihre unsichtbaren Wurzeln und Fühler in alle Richtungen von Zeit und Geschichte um ihre faszinierende Präsenz im hier und jetzt zu entfalten.

Barbara Hast formuliert in ihrem Werk eine permanente Hommage an die Feinsinnigkeit der natürlichen Schöpfung. Die Zeit mit inbegriffen, denn sie nimmt davon so viel wie sie braucht, um aus dem Porzellan die Gefässformen zu drehen und zu gestalten: im klassischen Formenrepertoire von Dose, Becher, Kanne oder frei und schöpferisch eigenen Fantastereien folgend, oder beides zu zusgleich. 


Nur wenige Zentimeter hoch sind kleine Dosen mit geraden oder kugeligen Wänden und akkuratem Deckel. So genannte „Prinzessinendosen“ schaffen daneben mindestens das doppelte Volumen und die doppelte Höhe. Sie haben geschwungene „Hüften“ und dicke Bäuche wie ihre Vorfahren im Barock. Ihre gegenwärtigen großen Schwestern aus der Hand von Barbara Hast sind wie makellose Kürbissfrüchte gewachsen, deren Mitte durch die mäandernde Linie des Deckelrandes geteilt wird. Alle Dosendeckel lüpft man an einem rafiniert geschnitzten Knauf, der wie eine stilisierte Knospe oder Frucht ausgebildet ist.


Eine geradezu märchenhafte Atmosphäre schaffen die Teekannen von Barbara Hast, meistens in Begleitung zarter, dickbäuchiger Schälchen die auf ein bis mehreren Beinchen oder Tentakeln daher kommen, wie die Kannen selbst auch. Man fühlt sich in das Teehaus inmitten eines verwunschenen Parks versetzt, oder auch zu Gast bei Märzhasen, Schuhmacher und Haselmaus. Charaktervoll und wesenhaft bevölkern die Kannen mit ihrem Gefolge den Tisch. Fast hört man sie wispern und flüstern als wären sie aus einer misterösen Geschichte in die reale Welt geraten. Schon seit vielen Jahren schickt Barbara Hast auch eine Parade vielfältiger Becher hinaus in die Welt, die in Form und Ausdruck davon erzählen, wie spannend es ist, ihre gemusterten Bäuche zu umfassen und ein warmes Getränk daraus zu schlürfen oder einen kleinen Feldblumenstrauss darin zurecht zu zupfen. Die Gesellschaft all dieser aufmerksamen Prozellane erinnert an die Kostbarkeit von Zeit und schönen Momenten.



Für eine andere Serie scheint Barbara Hast Unterwasserwelt-Fantasien vor Augen gehabt zu haben. Abstrakte Seeannemonen, Korallengebilde und Muschelgehäuse sind Vorbild für Objekte, die nur mehr Augenschmaus sein möchten und keinerlei Nutzung nahe legen. An ihnen lebt Barbara Hast ihrer ganze Detailverliebtheit mit unbändiger Gestaltungsfreude aus. Hinzu kommt das Moment erstarrter Bewegung, das Wogende eines fiktiven Wasserstroms, das dynamische Aufspritzen einer Flüssigkeit, das sie geradezu magisch festhält für diesen Moment, einen Atemzug und die Ewigkeit.

Monochrome Reliefmalerei bekleidet mit seinem raffinierten Schattenspiel die Flächen der Porzellane von Barbara Hast. Mal im Stil der Renaissance, mal dekorativ folkloristisch, mal als Schneegestöber einer Tupfenstruktur. Die Muster werden mit auf sorgfältig abgemixten Porzellanschlicker und ruhigster Hand aufgetragen. Reine Meditation, die viel Raum für Gedankenspaziergänge lässt. So gibt eins das andere, wird als Idee geboren, entwickelt und umgesetzt, um dann wieder selbst zum Ausgangspunkt für die nächste Schöpfung zu werden, im ständigen Strom der Assziationen.


Barbara Hast ist selbst ganz und gar ein Unikat unter den Keramikern. Sie gehört keiner Schule an, sie verfolgt keine bestimmte Stilrichtung sondern verfolgt ihren ganz eigenen Weg in ihrem ganz eigenen Tempo. Nach einer Keramiklehre bei Regina Fleischhut in Bederkesa arbeitete sie zehn Jahre lang in verschiedenen Werkstätten und machte sich 1996 in Neuendorf/ Schleswig Holstein selbständig. Auf den regionalen Töpfermärkten zeigte sie ihre Steinzeuggeschirre, deren historisierende Poesie schon im Ansatz darauf verwies, was noch kommen sollte.

Ich werde nie vergessen, wie ich auf einem verregneten Sommermarkt in Kellinghusen das erste Mal wenigen Porzellanbechern und Barbara Hast selbst begegnete. Sofort war ich von dieser zurückhaltenden Person und ihren so liebevoll gemachten Objekten eingenommen und wollte mehr, mehr, mehr. Doch Barbara steckte damals noch tief in der Experimentierphase mit dem Porzellan und war eher beunruhigt, über den Erfolg ihrer ersten Versuche. Sie brauchte Zeit. 2004 wurde sie in die Gedok Hamburg aufgenommen, das mit dem Porzellan klappte inzwischen hervorragend.

Ihre Erfindung der poetischen Glöckchendosen, aus zart eingefärbter Porzelanmasse gedreht, aussen UND innen gleichermaßen sorgsam dekoriert, läuteten ihren Erfolg ein. Von hier aus wuchsen ihre eigenen Ansprüche an ihre Werke und ihr Aktionsradius. In der ihr eigenen Bescheidenheit und Entschlossenheit verfolgt sie konsequent und eigenwillig ihren Weg. Keiner wird sie jeh zur Eile antreiben oder gar etwas vorgeben können. Sie läßt jede Idee reifen, realisert ihre Geschöpfe mit ihrem eigenen Sinn für Perfektion und Vollkommenheit. Sie bewahrt darin das ganze Geheimis der Magie, die ihre Werke ausstrahlen. Anachronistisch in unserer Gegenwart, in der Zeit Geld ist und Masse statt Klasse dominiert. Barbara Hast vermag mit ihrer anderen Zeitrechnung und ihrem eigenen Qualitätsanspruch alle anderen zu verzaubern. Ihre Objekte machen auf bewundernswert subtile Art den wesentlichen Unterschied deutlich.

© Schnuppe von Gwinner 2012 - veröffentlicht in der Zeitschrift Kunsthandwerk & Design 04/2012


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