Ein Interview mit Dr. Claudia Banz im Vorfeld der Messe Kunst und Handwerk im Museum für Kunst & Gewerbe, Hamburg 2011
Seit
April 2011 leitet Dr. Claudia Banz, Nachfolgerin
von Dr. Rüdiger Joppien, der nahezu 25 Jahre Kurator war, die
Abteilung Kunst und Design vom Biedermeier bis zur Gegenwart am
Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg. Mit diesem Amt übernimmt
sie auch die Verantwortung für die ebenso traditionsreiche wie
renommierte MKG Messe Kunst und Handwerk – das allwinterliche
Highlight unter den deutschen Messen angewandter Kunst.
Claudia
Banz, geboren 1966, studierte Kunstgeschichte, Romanistik und
Klassische Archäologie in Heidelberg und Berlin und promovierte 1996
an der FU Berlin mit einer Arbeit über das höfische Mäzenatentum
der Habsburger. Als freie Kuratorin zahlreicher internationaler
Ausstellungsprojekte und als Autorin hat sie sich auch immer wieder
mit dem Themenfeld „Design – Kunst – Handwerk“
auseinandergesetzt, u.a. .in der von ihr kuratierten Ausstellung
„Unresolved Matters. Social Utopias Revisited“ im Rahmen der
„Utrecht Manifest Biennal for Social Design“ 2009. Im März 2011
erschien der von ihr herausgegebene Band „Social Design“ in der Reihe des Kunstforum International (Band 207) in dem sie den
reformerischen und sozialutopischen Aspekten von Kunsthandwerk und
Design in ihrer historischen und zukunftsweisenden Dimensionen
nachspürt.
In
einem Gespräch mit Schnuppe von Gwinner beschreibt sie ihre Pläne
und Visionen für die Messe Kunst und Handwerk am Museum für Kunst &
Gewerbe in Hamburg.
Gleich
zu Beginn betont Claudia Banz, dass ein Museum kein kommerzieller
Veranstalter sei, sondern einer kulturpolitischen Agenda verpflichtet
ist, in der sie auch die Veranstaltung der Messe Kunst und Handwerk
verankert sehen möchte.
Schnuppe
von Gwinner:
„Das
zentrale Thema der Messe besteht bisher darin zeitgenössische
Handwerkskunst zu fördern, die alte Techniken lebendig hält und
gleichzeitig Impulsgeber für neue Traditionen ist. Hier geht es um
Kulturtechniken – neueste Gestaltungsentwicklungen treten in Dialog
mit Bewährtem, Experiment trifft auf Kontinuität. Die Messe schafft
seit Jahrzehnten die Voraussetzung, dass kreative Lebensläufe des
stetigen Wachsens, Profilierens und Perfektionierens, in heutiger
Zeit überhaupt noch möglich sind. Dem Forum dieser Messe verdanken
viele Handwerksdesigner respektable Karrieren, die heute, da man sich
wieder auf Qualität und Originalität besinnt, ihren ganz besonderen
Wert haben. Ihr Erfolg gründet sich nachhaltig auf jene Optionen,
die die Jahresmesse als Ort der Präsentation und des Dialoges
bietet.
Es
geht um die Frage der individuellen Wertschätzung von Dingen und
Leistungen, die nicht nur ökonomisch, sondern im Besonderen ideel
begründet sind. Und für die ist nun einmal diese Messe der Schutz-
und Wirtschaftsraum, in dem so etwas gedeihen kann. Es gibt keinen
anderen Ort dafür.“
Claudia
Banz:
„Ich
gebe ihnen völlig Recht. Kulturtechniken und Tradition sind wichtige
Themen, für die die Messe Raum bieten muss, umso mehr, da sie von
einem Museum initiiert wird. Für uns Museumsleute geht es ja auch
darum Kulturtechniken zu bewahren. Aber gleichzeitig müssen wir
natürlich immer auch einen kritischen Blick auf die Gegenwart
werfen, auf die aktuellen, innovativen Entwicklungen und diese dem
Publikum vorstellen.
Entscheidend
ist letztlich die Qualität dieser Selektion, auf die wir gerade bei
einer Museumsmesse besonders achten müssen.“
Schnuppe
von Gwinner:
„Das
Niveau der Hamburger Messe ist unvergleichlich.“
Claudia
Banz:
„Daran
soll sich auch in Zukunft überhaupt nichts ändern. Im Gegenteil:
Wir möchten die Messe noch wertiger und attraktiver gestalten und
das Programm dementsprechend erweitern. Hochschulen aus dem In- und
Ausland sollen zukünftig eine feste Größe werden und ebenso
Autorendesign.. Design ist ein so vielschichtiges Phänomen. Vor
allem in Deutschland verbindet sich der Begriff Design sehr stark mit
reformerischen und mit sozialutopischen Idealen. Dieser Anspruch
hallt beispielsweise auch noch in der „Guten Form“ wider.
Außerdem arbeiten Designer auch mit handwerklichen Techniken, bloß
nennen sie sich eben nicht Kunsthandwerker. Der Begriff des Design
ist insgesamt ein sehr unscharfer.
Schnuppe
von Gwinner:
„Der
Begriff Kunsthandwerk auch. Die ganze Debatte um die
Begrifflichkeiten ist schwammig. Letztlich möchten alle teilhaben an
dem Hype des Handgemachten, der Individualität, Qualität und
Besonderheit. Doch die Wenigsten schaffen es, sie authentisch
herzustellen und sie tiefer zu gründen als einen Marketing-Gag. Ich
meine, dass diejenigen, die aktuell auf der Messe stehen, dies
schaffen. Auch viel andere, auch gute Designer, schaffen das. Aber
ich vermute, dass 'Otto Normalverbraucher' dies nicht differenziert
unterscheidet.“
Claudia
Banz:
„Ja,
dem ist es sicher auch egal ob etwas unter Kunsthandwerk oder Design
firmiert. Dieser ganze konzeptuelle Diskurs bewegt mehr die
Fachleute. Allerdings lässt sich meiner Meinung nach ein starker
Trend ausmachen, hin zum Unikat, zum handgefertigten, im Idealfall –
und wenn der Geldbeutel es zulässt – zum individuell
maßangefertigten Objekt. Das ist eine sehr interessante Entwicklung,
die auch ihren gesellschaftlichen Hintergrund hat. Nach
Massenproduktion und dem 'toten Objekt' möchte man wieder das
beseelte, von Hand gefertigte Objekt haben. Zu diesen
soziokulturellen Prozessen können wir als Museum durch eine
bestimmte Profilierung der Messe durchaus ein Statement liefern und
sollten dies auch tun. Darin sehe ich nicht nur unsere Aufgabe,
sondern auch eine unserer Kompetenzen. In diesem Sinn wünsche ich
mir die Messe zukünftig noch mehr ausgerichtet auf Fragen wie:
'Welche
zeitgenössischen Strömungen und Entwicklungen in den angewandten
Künsten sind wirklich tragfähig und sollten von uns als Haus
rezipiert werden?'
Genauso
wie vor hundert Jahren Justus Brinckmann sehr weitsichtig damit
begonnen hat, Jugendstil zu sammeln. Nicht nur auf Museumsebene wurde
der Jugendstil anfänglich überhaupt nicht goutiert. Aber Brinckmann
erkannte seine Bedeutung und Relevanz und kaufte kräftig auf den
Weltausstellungen ein. Gegen Kritik muss man sich auch durchsetzen.“
Schnuppe
von Gwinner:
„Doch
der Jugendstil war ein klarer Trend. Was aber sind heute die Trends?
Auch die sind unscharf geworden. Präzise aus Trends heraus
entstandene Moden haben längst nicht mehr die Verbindlichkeit wie
noch vor wenigen Jahrzehnten.“
Claudia
Banz:
„Als
einen gegenwärtigen Trend sehe ich die Rückkehr zum schlichten
Luxus – übrigens ein historisch betrachtet absolut spannendes
Phänomen, dessen Wiederholung sich bei der Betrachtung der
vergangenen der Jahrhunderte beobachten lässt. Dem überbordenden
Rokoko folgten Klassizismus und Biedermeier, den rückwärts
gewandten Ornamentexplosionen des Historismus folgte der Jugendstil
und die Hinwendung zur rationellen Gestaltung, die schließlich im
Bauhaus mündete; die verspielt, kitschige Postmoderne richtete sich
gegen den Funktionalismus und jetzt: befinden wir uns bereits in der
Postpostmoderne und das neue alte Credo heißt wieder Reduktion,
schlichte Eleganz und Einfachheit! Aber das ist nur ein, wenn auch
dominierender Trend. Auch Nachhaltigkeit steht wieder einmal hoch im
Kurs – das hatten wir bereits in den Siebziger Jahren des letzten
Jahrhunderts.
Schnuppe
von Gwinner:
„Werden
sie die Ausschreibungen für die Messe verändern?“
Claudia
Banz:
„Darüber
werden wir sicherlich nachdenken.
Bereits
in diesem Jahr starten wir mit einer neuen Plattform für
Hochschulen: den Auftakt machen die Klasse für Keramik- und
Glasdesign von der Burg Giebichenstein aus Halle und die
Schmuckklasse der Gerrit Rietveld Academie aus Amsterdam. Außerdem
werden wir in diesem Jahr auch erstmals Autorendesign präsentieren.
Im
Ausland passieren im Übrigen auch äußerst spannende Dinge, was das
Thema Kunsthandwerk und Design anbelangt. Im Vergleich zu Deutschland
wird dort der Diskurs auch weniger eng geführt. Die Durchlässigkeit
zwischen den einzelnen Disziplinen erscheint mir weitaus größer.
Deswegen möchte ich die Messe zukünftig auch stärker
internationalisieren.
Zumal
wir als Haus von unseren Sammlungen her auf die großen
Weltreligionen und verschiedene Kulturkreise ausgelegt sind, und das
sollte sich auch in der Messe widerspiegeln.“
Schnuppe
von Gwinner:
„Bleibt
es bei der Dauer der Veranstaltung?“
Claudia
Banz:
„Die
Kunsthandwerker befinden sich in der Zwickmühle, dass sie drei
Wochen während der Messe nicht in ihrer Werkstatt sein können. Das
ist sicher auch ein Thema, über das wir nachdenken werden.“
Schnuppe
von Gwinner
„Der
Justus Brinckmann Preis wird weiter vergeben?“
Claudia
Banz:
„Selbstverständlich.
Es geht doch schließlich um Qualität.. Die Verleihung eines Preises
finde ich wichtig, denn er ist ja eine Auszeichnung und für die
Teilnehmer eine Art Wertesiegel.
Bereits
die Auswahl der Teilnehmer durch die Jury gleicht einem Statement.
Wir sagen: Das sind die Leute, die wir in ihrer Arbeit schätzen,
deren Ergebnisse wir in diesem Kontext von Kunsthandwerk und Design
für herausragende Beispiele halten. Das ist ein Geben und Nehmen.“
Schnuppe
von Gwinner:
„Es
ist bedauerlich, dass dieser Preis, wie auch die vielen anderen
Preise in diesem Bereich, nur einem Insiderkreis bekannt sind. Die
zaghafte Kommunikation der Auszeichnungen dieser Art ermöglicht
kaum, dass Geben und Nehmen fruchtbar wirken könnte. Wie steht es um
die Öffentlichkeitsarbeit?“
Claudia
Banz:
„Da
sprechen sie einen wichtigen Punkt in diesem Kontext an. Wir arbeiten
insgesamt an einer neuen Marketingstrategie für unser Museum, und im
Konzert unserer gesamten Aktivitäten kommt der Messe nicht zuletzt
auch wegen ihres Renommés ein ganz besonderer Stellenwert zu.
Außerdem generieren wir durch die geplante Internationalisierung der
Messe neue Multiplikatoren, und erreichen dadurch hoffentlich auch
ein neues, internationaleres Publikum.
Schnuppe
von Gwinner:
„Wird
es Sonderschauen geben, um besondere Entwicklungen und Trends
darzustellen?“
Claudia
Banz:
„Ich
bin für ein klares Format und für die Reduktion auf den
wesentlichen Kern einer Messe.
Der
Besucher, der zu uns ins Museum auf die Messe kommt möchte
vermutlich nicht noch an einem speziellen Sonderprogramm
partizipieren, zumal wir ja das ganze Jahr über Sonderausstellungen
zeigen und außerdem gibt es ja auch noch die Dauerausstellung
unserer Sammlungen. Wir wollen den Besucher auch nicht überfrachten.
Weniger ist in diesem Fall sicher mehr.“
Schnuppe
von Gwinner:
„Ich
danke für das Gespräch.“
Das Gespräch wurde im September 2011 im Museum für Kunst & Gewerbe in Hamburg geführt und in Kunsthandwerk & Design 6 / 2011 veröffentlicht